Gastroenterologie am Schlachtensee


Fakten zur Kapselendoskopie

Historie:

Idee und Patentierung durch den Ingenieur Gavriel Iddan sind mit dem israelischen Rüstungskonzern Rafael verbunden. Erste Erfahrungen mit einem Prototyp machte Paul Swain 1996 in London. Führend in der Weiterentwicklung der Technik zur Marktreife und breiter medizinischer Anwendung ist die Firma Given Imaging: Seit 2001 routinemäßiger klinischer Einsatz der Dünndarmkapsel. 2005 Einführung einer Kapsel für die Speiseröhre (Ösophaguskapsel, in Europa nicht etabliert) und 2006 für den Dickdarm (Kolonkapsel). August 2008 europaweite Zulassung der Kolonkapsel. Weiterentwicklung von Dünn- und Dickdarmkapsel, die jetzt in 3. bzw. 2. Generation vorliegen, sowie der Auswertesoftware. Bis heute sind weltweit über 2 Million Kapselendoskopien durchgeführt worden.
Die Eingliederung von Given Imaging in die Firma COVIDIEN im Jahre 2014, einem global aufgestellten, hochtechnisierten und forschungsintensiven Hersteller von Medizinprodukten ist die weitere Entwicklung der Kapselendoskopie gewährleistet.

Technik:

Kernstück ist eine problemlos schluckbare Kapsel, die Kamera, Batterie, Lichtquelle und Sender enthält. Auf dem Weg durch den Verdauungstrakt werden abhängig von der Geschwindigkeit und Kapseltyp bis zu 35 Bilder pro Sekunde aufgenommen, über einen Sensorengürtel oder ein klebbares Sensorenfeld einem kleinen Rekorder zugeleitet und dort aufgezeichnet. In einer Workstation werden die Daten zu einem Film verarbeitet und dann durch den Arzt mit Hilfe einer unterstützenden Software ausgewertet. Die Videokapsel wird für die Auswertung nicht benötigt und kann verworfen werden.
Jeder Hobbyfotograf kann sich vorstellen, daß die Aufnahmebedingungen zur routinemäßigen Erfassung der lückenlosen inneren Oberfläche des Magen-Darm-Traktes schon wegen der sehr unterschiedlichen Geometrie und Bewegungsmuster der Organe z. B. im Dick- und Dünndarm sehr unterschiedlich sind. Die ideale Videokapsel für alle Regionen des Magen-Darm-Traktes gibt es daher derzeit noch nicht, allerdings kann mit der Kolonkapsel bereits recht gut der Dünndarm mitbeurteilt werden.

Dünndarm-Kapsel-Endoskopie

Der Dünndarm war bis zur routinemäßigen Einführung der Kapselendoskopie im Jahre 2001 das “Stiefkind der Diagnostik“. Das engverschlungene, viele Meter lange Organ entzog sich trotz vieler Fortschritte in der Entwicklung spezieller Endoskope und Techniken der Routinediagnostik. Auch Röntgen- und MRT-Verfahren erwiesen sich als wenig hilfreich.
Erst die Kapsel-Endoskopie brachte den Durchbruch mit einer diagnostischen Ausbeute, die insbesondere mit der jüngst verfügbaren neuen Kapselgeneration der intraoperativen Endoskopie als Goldstandard entspricht.

Bei welchen Situationen wird eine Kapselendoskopie empfohlen (Indikation)?

→ Obskure peranale Blutung (overt oder okkult)
→ Eisenmangelanämie nach Ausschluß einer Sprue (tiefduodenale Biopsie, tTG -, IgA +)
→ Chronische abdominelle Schmerzen u/o Diarrhoe ungeklärter Ursache sofern
Zusatzbefunde, vor allem laborchemische Entzündungszeichen und Anämie, vorhanden sind.
→ Varia wie u. a. therapierefraktäre Sprue, Polyposissyndrome

Exkurs zur Nomenklatur:

→ obskure Blutung: anhaltende oder wiederkehrende Blutung ohne Nachweis einer
Blutungsquelle in der Magen- und Darmspiegelung
→ obskur-okkult: Nachweis von verstecktem Blut im Stuhl (pos. Hämocculttest)
→ obskur-overt: offensichtliche Blutung (Hämatemesis, Meläna, Hämatochezie)
→ mittlere GI- Blutung: Blutungsquelle in der konventionellen Endoskopie nicht
einsehbar
→ ältere Nomenklatur: obere/untere GI-Blutung nach Lokalisation oberhalb
(Ösophagus/Magen/Duodenum), bzw. unterhalb des Treitz-Bandes
(Jejunum, Ileum und Kolon).

Besondere Situationen für die Planung einer Kapselendoskopie (Kontraindikationen)
→ Bei einer bekannten Magen-Darm-Verengung sollte keine Kapseluntersuchung erfolgen.
→ Bei einer Schwangerschaft ist die Sicherheit der Untersuchung nicht belegt.
→ Strenge Indikationsstellung bei bekanntem M. Crohn, Z. n. Radiatio, Voroperationen.
→ Ein Herzschrittmacher oder AICD wird nicht mehr als relative Kontraindikation angesehen.
→ Bei Magenentleerungs- oder Schluckstörungen sollte die Kapsel endoskopisches eingeführt werden.
→ Vor Durchführung eines MRT sollte der Abgang der Kapsel gesichert sein.

Nebenwirkungen:

Kapselretention (Kapsel wird innerhalb von 2 Wochen nicht ausgeschieden), die je nach Patientenselektion bis mehrere Prozent betragen kann. In aller Regel handelt es sich jedoch nicht um eine Komplikation, sondern um die Diagnose einer therapiebedürftigen Einengung. Stärkere Beschwerden treten auch dabei kaum auf, so daß eine retinierte Kapsel nicht unbedingt gleich entfernt werden muß.
Bei Verdacht auf eine Einengung gibt es die Möglichkeit vor der eigentlichen Kapselendoskopie mit einer Probe (Patency) – Kapsel, die Durchgängigkeit des Magen-Darm-Traktes zu testen. Wenn eine intakte Kapsel innerhalb von 40 Stunden ausgeschieden wird ist eine Verengung ausgeschlossen. Bleibt sie stecken, wird sie nach 40-100 Stunden porös, kollabiert und kann dann die Enge passieren.

Patientenakzeptanz:

Hervorragend mit Überlegenheit gegenüber allen anderen alternativen endoskopischen und röntgenologischen Verfahren

Voruntersuchungen:

Die Kapselendoskopie steht am Ende der diagnostischen Kette und setzt in jedem Fall eine sorgfältige konventionelle obere und untere Endoskopie voraus. Eine Wiederholung von Magen- und Darmspiegelung ist in jedem Fall zu prüfen, da durch neue Befunde nicht selten die Kapselendoskopie sich erübrigt.

Abrechnung:

Die Kapselendoskopie des Dünndarms ist eine Kassenleistung. Für Indikationen außerhalb einer chronischen Blutungsarmut bzw. Eisenmangelanämie sollte jedoch eine Zustimmung eingeholt werden.

Untersuchungsablauf:

→ 5 Tage vor der Kapsel keine Bariumuntersuchung und kein orales Eisenpräparat
→ Lavage mit 1 Liter Darmspüllösung (Moviprep) früh am Tag der Untersuchung
→ 10 Uhr Anlegen des Aufzeichnungsgerätes und Schlucken der Kapsel.
→ 11 Uhr Videoechtzeitkontrolle: Kapsel im Dünndarm?
Anschließend kann stilles Wasser getrunken werden.
→ Um 14 Uhr kann eine leichte Kohlenhydratmahlzeit eingenommen werden.
→ reguläre Abendmahlzeit
→ Um 19 Uhr Wiedervorstellung mit Entfernung des Aufzeichnungsgerätes und Beendigung der
Untersuchung.

Dickdarm-Kapsel-Endoskopie

Die Kapselendoskoie des Dickdarmes (Kolon) wird vor allem als Alternative zur konventionellen Darmspiegelung in der Vorsorge eingesetzt. Nach der derzeitigen Studienlage mit der neuesten Kapselgeneration ergeben sich mit der Koloskopie als empfohlenen Standardverfahren vergleichbare Ergebnisse. Es wird keine Schlafspritze (Analgosedierung) benötigt, der mechanische Stress der herkömmlichen Endoskopie entfällt, ein Strahlenrisiko wie bei der virtuellen Koloskopie besteht nicht und auch das sonstige Nebenwirkungsrisiko ist minimal.

Indikationen für die Kolonkapsel:

→ Ablehnung einer empfohlenen konventionellen Koloskopie
→ Unvollständige Koloskopie
→ Kontraindikationen für eine diagnostische Koloskopie

Zu berücksichtigen ist, daß die Kapselendoskopie besondere Anforderungen an die Mitarbeit des Patienten stellt, da strenger als bei der Koloskopie eine Diät eingehalten werden muß und größere Flüssigkeitsmengen für Darmreinigung und Kapseltransport erforderlich sind.

Abrechnung:

Im Unterschied zur Dünndarmkapselendoskopie ist die Kolonkapselendoskopie noch keine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen.
Privatkassen übernehmen auf Antrag immer öfter zumindest einen Teil der anfallenden Kosten.
Die Abrechnung erfolgt über die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ): ca. 1.100 € einschließlich der Materialkosten (Videokapsel) von 702 €.

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